In den nächsten Jahren arbeitete ich intensiv daran meine Weiblichkeit vor der Öffentlichkeit zu verstecken. Mit etwa 20 bis 30 Jahren, mit einem männlichen Körper war ich nicht bereit meine weibliche Seite vor anderen Leuten außer den engsten Freunden zu zeigen.
Das rächte sich bitterlich. Überfordert durch die Situation soff ich Unmengen von Bier, schlidderte manchmal mehrmals im Monat von einem Nervenzusammenbruch in den Nächsten und heulte mich dann bei W. oder anderen Freunden aus. Denen erzählte ich dann etwas von beruflicher Überlastung, aber nicht die Wahrheit.
Hätte ich nur…..
Ich lebte bis 1987 im Haus meiner Eltern. Ich spielte oft mit dem Gedanken, mir einige weibliche Kleidungsstücke zu kaufen. Ich getraute mich aber wegen meiner Mutter nicht, weil sie überall herumschnüffelte. Noch nicht einmal die Post war vor ihr sicher. Ich wollte zwar einmal in eine eigene Wohnung ziehen aber irgendwie schafften es meine Eltern, dass ich wohnen blieb, allerdings im Anbau mit eigenem Eingang. Trotzdem wusste meine Mutter immer, wann ich nach Hause kam!!!
Im September 1987 kamen meine Ehefrau und ich uns näher und verliebten uns — nachdem wir uns schon 8 Jahre kannten. Da gibt es ein Lied von Klaus Lage: „Tausendmal berührt, tausendmal ist nichts passiert, tausend und eine Nacht und es hat Zoom gemacht….“. Das konnte man bei uns Beiden auch singen. Diese Frau nahm mich so wie ich war — einen Softie mit einer sehr einfühlsamen Seele.
Beruflich ging es dagegen bergab. Ich hatte seit 1983 einen gut bezahlten Job als Fertigungsplaner und Materialdisponent. 1987 wechselte der Abteilungsleiter. Der kam mit mir und meinen Erfolgen gar nicht zurecht und fing ab etwa 1988 an mich zu mobben. Das ging so, bis mir 1991 der Stuhl vor die Tür gestellt wurde. Ich bekam wegen des fehlenden Zeugnisses keine Anstellung und als ich irgendwann endlich ein gescheites Zeugnis erhalten hatte wollte mich auch niemand mehr. Ich dachte 1993 daran mich mit meinem eigentlichen Wesen zu offenbaren. Ich dachte aber wohl zu lange darüber nach. Etwa Mitte August 1993 fingen an einem schönen Nachmittag beim Kaffee trinken innerhalb von 10 Minuten schlimme Schmerzen am ganzen Körper an.
Wir und vor allem ich wussten gar nicht wie wir damit umgehen sollten. Ich ging zum Hausarzt und bekam starke Schmerzmittel. Das mit den starken Schmerzmitteln sollte dann bis Ende Juli 2017 so weitergehen. Die ganze schlimme Zeit hielt meine Familie eisern zu mir. Ich lebte mehr oder minder — meistens mehr — in einem Delirium aus Schmerzen und Schmerzmitteln. Dass ich unter diesen Umständen überhaupt noch fähig war manchmal meinen „ehelichen Pflichten“ nach zu kommen, grenzt an ein Wunder. Meine Weiblichkeit blieb dabei völlig auf der Strecke.
Soweit zu der „dunklen Seite“ meines Lebens.
Eure Emma