Ein fiktiver Brief

Fiktiver Brief


Sehr geehrte Damen und Herren, (Bundeskanzlerin, Justizministerium, Gesundheitsministerium, Krankenkassen, örtliche MdB, gemeinsamer Bundesausschuss der Krankenkassen, Zeitungen, Redaktionen von Magazinsendungen und alles, was ich noch vergessen habe).


Sind transsexuelle Menschen nur Menschen zweiter Klasse? Oder wie ist das zu erklären, dass ein Transsexueller Mensch im Jahr 2019 immer noch durch die Mühlen der Justiz gedreht und mehrmals begutachtet wird, bevor er (der Mensch) ein Leben im Sinn von Artikel 2 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland führen darf. 


Stellen Sie sich einmal folgende Situation vor:Ein Mensch w/m/d wird geboren und lebt 17 Jahre wohlbehütet in der Obhut seiner Eltern. Ab seinem 17. Geburtstag  soll dieser junge Mensch ein Jahr einen Alltagstest machen, in dem er nachweist, dass er zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit fähig ist. Dieser Test wird von Gutachtern begleitet. Zum seinem 18. Geburtstag bekommt dieser Mensch einen Bescheid darüber, ob der Test bestanden wurde oder nicht.


Sie sagen jetzt: So einen Blödsinn habe ich noch nie gehört! Was soll das überhaupt? Wer sich so etwas ausdenkt gehört in die Psychiatrie und nie mehr auf die Menschheit losgelassen!


Genau so wird mit einer größeren Bevölkerungsgruppe verfahren. Transsexuelle Menschen kann man ja so behandeln.
Je nach Studie gibt es hier in Deutschland einige zehntausend transexuelle Menschen……..


Solange jeder dieser Menschen in dem, bei der Geburt zugewiesenen, Geschlecht lebt passiert nichts. Aber…….Sobald diese Menschen ihre Persönlichkeit frei entfalten wollen, geraten diese in die Mühlen der Justiz, des MdK, der Psychotherapie und von unfähigen Ärzten.


Das muss man sich einmal vorstellen: Wenn ein transexueller Mensch in seinem wahren Geschlecht leben möchte muss er sich als Erstes für krank erklären lassen. Wie krank ist denn das? Sodann sind Gutachten notwendig: für die Namens- und Personenstandänderung 2 Stück, für die gegengeschlechtliche Hormontherapie Eines, für den Antrag auf  Kostenübernahme der GaOP wieder Eines. Bei Transsexuellen Frauen ist noch ein Gutachten für Kostenübernahme der Bartepilation nötig. Und wenn nach 2 Jahren Hormontherapie noch zu wenig Brustwachstum vorhanden ist noch eines für den Brustaufbau.


Das sind 4 bis 6 Gutachten bis ein transsexueller Mensch endlich in seinem wahren Geschlecht leben kann. Das ist sowas von krank und bekloppt — Außenstehende können gar nicht nachvollziehen wie sich jemand in dieser Tretmühle fühlt. Wer sich so etwas ausgedacht hat spielt ohne mit der Wimper zu zucken mit dem Leben und der Gesundheit von gesunden Menschen. Wen wundert es noch, dass viele Leidensgenossinen und -genossen zumindest zeitweise in der Psychiatrie landen — oder noch schlimmer — ihr Leben beenden. Ich weiß selbst, von was ich hier schreibe. Ich bin eine transsexuelle Frau von 64 Jahren und befinde mich seit Dezember 2017 in dieser Tretmühle (Transition). Wegen der Ignoranz zweier Ärzte war ich bis jetzt zweimal kurz davor Unfug zu machen. Ich verdanke es dem ungebrochenen Rückhalt in der Familie, dass ich noch am Leben bin. Seit meinem Outing habe ich von mehreren Fällen von Suizid von Leidensgenossinen gehört.


Dieses Prozedere wiederspricht jeglichem Menschenrecht. Warum ist bisher noch niemand so richtig dagegen angegangen? Das Ganze widerspricht doch eindeutig den Artikeln 1 GG, 2 GG und 3 Abs. 3 GG.


Für ein Staatswesen, das sich besonders für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzt und das auch von anderen Staaten fordert ist dies ein beispielloses Armutszeugnis. Wenigstens wurde die Zwangskastration für die Personenstandänderung 2011 vom Verfassungsgericht gekippt. Hier müsste das Volk aufschreien. Schließlich wird in diesen Fällen massiv in die Grundrechte von Bundesbürgern eingegriffen. 


Wenn ich das lese, dass jetzt erst so langsam bei deutschen Medizinern die Erkenntnis kommt, dass Transsexulität angeboren ist und keine psychische Störung, bekomme ich die Krise. 


Leider bekommt die große Masse der Bevölkerung davon gar nichts mit. Gelegentlich kommt einmal ein Bericht im Fernsehen oder in einer Zeitung. Das ist es dann aber auch. Die meisten Leute denken doch Transexuelle Menschen sind Freaks. Die sollen sich doch therapieren lassen, dann hören die Spinnereien schon auf. Man darf sich auch nicht wundern, wenn die Leute so denken. In jeder anständigen Berichterstattung über Transsexuelle aus Deutschland kommt auch zur Sprache, dass diese Menschen für ihre Transition Psychotherapie benötigen — und Gutachten. Jeder klar denkende Mensch zieht daraus die richtigen Schlüsse. Aber klar denken können oder wollen nur die wenigsten. Bei 90% der Bundesbürger läuft der Denkprozess in die falsche Richtung — Psychotherapie = Transsexueller krank = Gefahr oder Gutachten = Transsexueller kann nichts selbst entscheiden = krank.


Bei dieser Denkweise bringen Berichte in Stern TV und anderen Magazinen gar nichts und wenn sie noch so gut gemeint sind. Sie sind kontraproduktiv. Da gehört zur besten Sendezeit in den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ein langer Bericht mit einem unverfänglichen Titel gesendet in dem das ganze Ausmaß der Pathologisierung von transsexuellen Menschen zur Sprache kommt, verbunden mit einem Appell diese Menschenrechtsverletzungen endlich abzuschaffen. Es geht hier auch nicht um eine Randgruppe. Bei der o.g. Zahl kann man nicht mehr davon sprechen.


Und wenn ich über den Tellerrand hinausschaue — was ich gut kann — da gibt es die Millionen Schmerzpatienten, denen es nicht wesentlich anders geht. Die bringen, bis sie endlich richtig anerkannt werden, einen Marathon durch Dutzende Arztpraxen hinter sich, müssen Psychotherapie über sich ergehen lassen, landen auch oft für Monate in der Psychiatrie und benötigen oft ebenfalls für allen Scheiß ein Gutachten. Ich weiß von was ich schreibe — ich habe das fast 25 Jahre mitgemacht. Da leidet man an den Schmerzen und spricht am besten nicht darüber, weil man sonst als faul und arbeitsscheu hingestellt wird.


Es werden ja CSD veranstaltet, um die Bevölkerung mit Schwulen, Lesben, Intersexuellen, Androgynen usw. zusammen zu bringen. Um zu zeigen, dass das ganz normale, fröhliche Leute sind. Alle diese Menschen sind ja jetzt auch gesellschaftlich anerkannt. Aber einer großen Gesellschaftsgruppe fehlt diese Anerkennung — den Transsexuellen. Irgendwie sollte, besser müsste, es möglich sein wenigstens einige Hundert Betroffene zusammen zu bekommen, nach Berlin vor den Bundestag zu marschieren um die Damen und Herren im Plenarsaal aufzuschrecken. Wir haben leider keine Lobby.


Ich möchte nicht wissen was die Bundesverbände der Psychotherapeuten, der Psychiater, der Psychologen und wer sonst noch mit der Psyche zu tun hat an Spenden für diverse Parteikassen bezahlen, nur damit alles beim Alten bleibt. 


So, jetzt habe ich einmal alles niedergeschrieben was mir seit Monaten unter den Nägeln brennt und was mich wegen der „Behandlung“ von Transsexuellen Menschen ankotzt.


Vielleicht sind meine Gedankensprünge nicht immer gleich nachzuvollziehen — ich bin halt ein pubertierendes Mädel und so wie die Worte in einer Unterhaltung aus mir heraussprudeln, so habe ich diesen Brief verfasst. Logisch denken geht halt nicht mehr bei mir.


Eure Emma

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