Wer oder Was war ich? Nachtrag.

Wenn ich die Zeit bis 2017 noch einmal Revue passieren lasse, komme ich auf den Gedanken, dass meine Anpassungen an die „Männerwelt“ nur sehr partiell waren.
Wie ich darauf komme?
(Ich versuche alles halbwegs geordnet zu „Papier“ zu bringen — meine Gedanken rotieren gerade)
Im Grunde waren es nur 2 Dinge, welche ich anpasste: Meine Stimme und meine Ausdrucksweise — mit Anpassungen nur zu bestimmten Situationen.
Beispiele:
Während der Arbeit sprach ich mit tieferer Stimme und meine Ausdrucksweise war eher „deftig“. Ich hatte mir das in einem langen Prozess während der Lehrzeit angeeignet, um nicht zu „mädchenhaft“ rüber zu kommen. Das funktionierte bis zuletzt.
Den Gang eines Mannes, das breite Sitzen, das laute Erzählen, das Inponiergehabe hatte ich mir nie aneignen können. Ich weiß es jetzt. Ich hatte immer den Gang einer Frau, ich saß wie eine Frau, ich hatte immer die Gestik einer Frau, ich erzählte immer verhältnismäßig leise.
Wenn ich mit meinen Freunden von der Bergstraße und aus den Nachbarorten von Eppertshausen zusammen war brauchte ich mich nicht zu verstellen. Alles war wie immer. Wenn allerdings Freunde dabei waren, die auch Arbeitskollegen waren oder andere Personen musste ich irgendwie einen Kompromiss finden. Ich schaffte das jahrelang. Es war aber sehr anstrengend. Das waren dann recht häufig die Situationen, in denen ich nach einigen Stunden damit rechnen musste, einen meiner Nervenzusammenbrüche zu bekommen.
Was mich heute wundert ist, dass sich niemand in den ganzen Jahren über mich gewundert hat. Offenbar war es für die Männer im Inneren Zirkel Normalität — sie kannten mich nicht anders. Für die Frauen des inneren Zirkels war ich immer der verständnisvolle, nette Mann — ein „Frauenversteher“. Sie kannten es auch nicht anders.
Freunde außerhalb des Zirkels, also befreundete Arbeitskollegen und andere Personen kannten mich auch nicht anders — nur etwas „anders“. Das war die andere Normalität. Diese Gruppe hielt mich sehr wahrscheinlich für einen schrulligen, manchmal durchgeknallten Paradiesvogel. Kompliziert wurde es dann, wenn beide Gruppen zusammen waren.
Vollends verwirrend wurde es, als 2 befreundete Arbeitskollegen in W’s und meinen Kegelklub kamen und Jahre lang mitkegelten. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich Anfangs etwas zurückhaltend war, aber mit der Zeit meine Hemmungen fallen ließ und nach einigen Monaten so war wie immer im Inneren Zirkel. Vielleicht hatten sie sich mal über meine geänderte Stimme und Ausdrucksweise gewundert, aber gesagt hatten sie nie etwas. Die Beiden kannten also beide Seiten meiner Persönlichkeit, posaunten es aber zum Glück nicht herum.
Seit dem Beginn der Transition habe ich recht schnell die tiefere Stimme „vergessen“, die deftige Ausdrucksweise war mir schon vor vielen Jahren abhanden gekommen. Sonst gab es ja keine Anpassungen, weshalb der Wechsel von der Rolle als Mann zu meinem wahren Ich so reibungslos klappte. Alles, was ich einst verkörperte hat sich schnell und spurlos in der Frau, die ich immer schon war, aufgelöst.
Wie man sieht ist es mir nie gelungen mich vollständig an das Leben als Mann anzupassen. Ich habe es nie hinbekommen wie ein Mann zu gehen, mich breitbeinig wie ein Mann hinzusetzen und mit breiten Gesten eine Schilderung zu begleiten.
Ich lese häufig davon, wie Transidente Menschen sich jahrzehntelang an ihr Geburtsgeschlecht anzupassen versuchen. Ich habe das nie geschafft. Die Frau schimmerte immer unter der dünnen Maske des Mannes durch.
Bei Mann-zu-Frau Transsexuellen reicht es ja lt. Wissenschaft, wenn ein bestimmtes Hirnareal weiblich geschaltet ist, damit sie sich als Frau fühlen. Wenn es um die „Schaltkreise“ im Gehirn geht, muss bei mir noch viel mehr anders als bei einem Mann geschaltet sein. Logisches Denken war noch nie meine Stärke. Multitasking konnte ich im Gegensatz schon immer. Entscheidungen traf ich häufiger „aus dem Bauch“ heraus, als dass ich irgendwelche Überlegungen angestellt hätte. Das ließe sich noch weiter fortsetzen.
Soweit erst einmal damit.
Eure Emma

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